Mein Liebster Hajo ist am 6. September 2010 ganz plötzlich an einer Lungenembolie gestorben. Vier Jahre habe ich ihn durch eine schwere Depression begleitet. Der Abschied fällt mir so schwer. Doch das Schreiben erleichtert mich und lässt mich ihm immer wieder nah sein.


Sonntag, 30. Januar 2011

so habe ich Dich kennen gelernt


Weißt Du noch, wie Du am Bahnhof angekommen bist und wir uns das erste Mal gesehen haben? Es war der 4. November 1998. Du bist gekommen und geblieben, es stimmte einfach und dann warst Du da und wir waren zusammen. Kennen gelernt haben wir uns zwei Jahre vorher, doch ergab sich nie die Gelegenheit und als sie dann da war, da wussten wir beide gleich, wir sind füreinander bestimmt. Das hört sich für viele vielleicht kitschig an, Rosamunde Pilcher im Neanderthal, aber so war es. Du hast lange Jahre allein in Hamburg gelebt und nach der Pleite der Firma, wo Du als EDV'ler gearbeitet hast, war es recht einsam um Dich geworden. Doch, so hast Du mir erzählt, Du wusstest immer, irgendwo auf der Welt ist eine Frau für Dich, die zu Dir hält und mit Dir alt werden will.

So war es ja auch und wir haben unser gemeinsames Leben lange Zeit genossen und geliebt, bist Du krank geworden bist. Danach war es oft schwer für uns Beide, aber wir hatten uns versprochen, wie in guten so in schlechten Zeiten und auch dieses Versprechen haben wir gehalten.

Bald ist es ein halbes Jahr her, dass ich Dich gehen lassen musste, ich will das gar nicht glauben, Hajo, es kommt mir vor wie gestern. Und war es nicht erst gestern, wo der Polizeiarzt zu mir kam und sagte, sie hätten nichts mehr für Dich tun können? Wo ich auf dem Flur der Intensivstation die Schritte seiner schweren Einsatzstiefel hörte, die immer näher kamen?

Ich weiß noch, wie wir einen Freund von Dir in Hamburg besuchten, zu dem Du fast den Kontakt verloren hattest. Und der nicht glauben wollte, dass Du verheiratet bist. 'Hajo ist sesshaft geworden?' fragte er mich völlig ungläubig und doch verschmitzt lachend, und als Du ihm erzähltest, dass Du jetzt in einem Dorf wohnst in einem kleinen Häuschen, da meinte er, tja, wo die Liebe hinfällt, da bleibt sie meist und beim Abschied wünschte er uns viel Glück.

Glück hatten wir, Hajo, das Glück unserer gemeinsamen Urlaube in der Pfalz. Alte-Leute-Urlaube habe ich sie immer genannt, und sie haben mir so gut gefallen. Du hast mir Deine geliebte Pfalz gezeigt und so oft wir konnten, waren wir dort.

Man darf es ja keinem erzählen ;-)))) aber unsere gemeinsame Leidenschaft war es, durch die Küchenabteilungen der Kaufhäuser zu schlendern und uns Kochutensilien auszusuchen ;-)))) Noch heute sieht meine Küche aus wie ein Kochtopflager ;-)))) Für jedes Gericht einen speziellen Topf, für den Gasherd, für den Elektroherd, für den Backofen ;-)))

Ja, Hajo, viele haben darüber geschmunzelt, aber ich fand es einfach nur schön. Ich habe unsere gemeinsamen Kochfeiern geliebt. Deine Gerichte in den gusseisernen Schmortöpfen, denn natürlich hatten wir nicht nur einen, wir hatten x.

Ich muss heute noch lachen, wenn ich an die Bestellung bei unserem Winzer denke, wir hatten uns mit der Bestellmenge völlig vertan und auf einmal einen Keller voller Weinflaschen ;-)))) und ein leeres Konto ;-))))

Und als wir uns 2002 den kleinen roten Flitzer kauften, den Du so geliebt hast. Wie wir das erste Mal mit ihm in die Pfalz fuhren. Ich erinnere es noch genau.

Ist das nicht alles erst gestern gewesen, Hajo?


Dienstag, 25. Januar 2011

und wieder ein Abschied

Heute wurden Deine alten Kisten abgeholt, an denen Du so gehangen hat. Alte Kabel, alte Platten, all der Computerkram, der Dir mal so wichtig war.

Ach Hajo, ich muss mich davon trennen, der ganze Keller war voll damit und ich kann doch nichts damit anfangen. Aber es fällt mir doch unsagbar schwer, diese Dinge endgültig herzugeben.

Ein Trost, sie sind bei einem Unix-Liebhaber gelandet, wie Du ja auch einer warst ;-))))

Aber es geht wieder etwas zu Ende. Und das ist verdammt nicht leicht zu ertragen.

Dienstag, 18. Januar 2011

Deine Ideen

Liebster, ich habe auf meinem Server die alten Seiten von Dir gefunden, wo Du Deine Ideen leben wolltest und teilweise auch gelebt hast. Die meisten Links funktionieren nicht mehr, weil es sie nicht mehr gibt, aber man kann dennoch erkennen, was Deine Ideen waren und was Du gemacht hast, so voller Elan.

Gestern war ich wieder bei der Trauergruppe der evangelischen Kirche. Es hat mir so gut getan. Und es hat mir gezeigt, dass es richtig ist zu trauern. So schwer es auch ist, aber es ist richtig so.

Und überall sind Spuren von Dir...

Montag, 17. Januar 2011

Deine Spuren im Netz

Liebster, oft suche ich nach Dir, dort, wo wir uns 1996 kennen lernten, als es noch kein WWW gab und Internet nur was für Experten war: im Netz. Als wir in technischen Foren von Mailboxen diskutierten und ich fachliche Hilfe suchte. Und "per Zufall" auf diesen Freak da in Hamburg stieß.

Und immer wieder finde ich Dich...

hier und hier und hier und überall...

Montag, 10. Januar 2011

meine Gedanken

Weißt Du, Hajo, woran ich immer wieder denken muss? An Deine Hoffnungen und Wünsche, als Du ein kleiner Junge warst. Was davon hat sich erfüllt, was nicht? Manchmal tut es mir sehr weh, wenn ich an Deine Erzählungen denke und Deine Verzweifelung heute noch spüren kann.

Ich weiß jetzt, Hajo, dass nichts geht ohne die Liebe. Nichts. Nichts hat einen wirklichen Wert, wenn es nicht erfüllt ist mit Liebe.

10 Jahre waren wir verheiratet und ich hoffe, dass unsere Liebe ein wenig von dem gut gemacht hat, was Dir im Leben versagt blieb.

Ich denke so sehr an Dich!

Samstag, 1. Januar 2011

ungewöhnlicher Jahreswechsel

Mein lieber Hajo,

gestern haben wir das neue Jahr das erste Mal nach so vielen Jahren ohne Dich begrüßt, da ich seit einer Woche so furchtbar grippekrank bin, lag ich schnell danach im Bett und dort wurde mir wieder klar, wie sehr ich Dich vermisse!!

Meine Gäste haben sich dann ohne mich vergnügt und aus dem Keller eine große Holzplatte hochgeschafft und darauf bis zum Morgengrauen ein Akrylbild gemalt. Das wird bald im Wohnzimmer hängen.

Es hat sich so viel verändert hier, Hajo, was ja gut für mich ist. Ich muss ja weiterleben, muss nun ohne Dich planen und meinen Alltag ohne Dich gestalten. Aber es fällt mir noch so schwer. Denn ich kann es immer noch nicht wirklich glauben. Das klingt seltsam, aber so ist es. Ständig fallen mir Dinge ein, die ich Dir erzählen will, die Du unbedingt wissen musst... um dann völlig ungläubig festzustellen, das geht ja gar nicht mehr.

Irgendwie bist Du immer noch da, auch wenn ich Dich nicht sehen kann. Aber ich fühle Dich, ich fühle Deine Nähe. Für uns Beide gibt es kein gemeinsames neues Jahr mehr. Das ist ein Gedanke, den ich erst erlernen muss und den Schmerz muss ich aushalten.

Ich schaff das, Hajo, ich hätte nur so gerne noch so viel mit Dir erlebt. Wir wollten doch gemeinsam alt werden. Hatten wir es uns nicht vorgenommen? Leb wohl, Liebster, ich vermisse Dich unendlich!